Die Sozialfinanz ist en vogue Anleger wollen ihren Investitionen einen realen Sinn geben

, von Ekkehart Schmidt

Anleger wollen ihren Investitionen einen realen Sinn geben

Durch das Debakel der Finanzmärkte haben viele Investoren das Vertrauen in die Banken verloren, denen sie gutgläubig ihre Ersparnisse anvertraut hatten. Die Krise bietet aber auch die Chance, das Geschäft des Bankiers neu zu definieren. Banken sollten sich wieder als gesellschaftliche Akteure im Kontext ihres regionalen Wirtschaftsraumes definieren, in dem sie eine bedeutende Rolle erfüllen, fordern Vertreter der Sozialfinanz. Der Verein etika- Initiativ fir Alternativ Finanzéierung erinnert daran, dass es Anlagemöglichkeiten gibt, die Investoren ein Einkommen garantieren, das aus einer Wertschöpfung entsteht, in der der Mensch, die Gesellschaft und das Ökosystem originäre Ziele sind – und nicht nur externe Variablen.*

Im Verlauf weniger Wochen haben die Gewitter der Finanzkrise den Glauben in Vernunft und Tugendhaftigkeit eines autoregulativen Marktes platzen lassen. Die Debatte über die frage der Subprimes soll hier nicht wiederholt werden. Es sei nur daran erinnert, dass die Globalisierung der Finanzmärkte nicht vom Himmel gefallen ist, wie die sieben ägyptischen Plagen, sondern Resultat einer Serie politischer Entscheidungen ist, die von demokratisch gewählten Regierungen gefällt wurden. Sie haben in voller Absicht dafür plädiert, sich jegliche Handlungsspielräume zu beschneiden, die ihnen zur Kontrolle der Finanzmärkte zur Verfügung standen. So öffnete die Nixon-Administration 1971, als sie entschied, die Goldparität des Dollars aufzuheben, der Devisenspekulation Tür und Tor. Es kam zu einer ersten Spekulationsblase. Heute ist nur noch etwa 2 % des Volumens der Devisentransaktionen mit der realen Wirtschaft verbunden. In den 1980er-Jahren haben es die Gesetze zur Deregulierung des Kapitalverkehrs in Verbindung mit Fortschritten der Informations- und Kommunikationstechnologie erlaubt, neue Finanz- instrumente zu entwickeln, die zugleich sehr reaktiv und spekulativ sind. Daher waren sie in der Lage, in wenigen Tagen ganze Volkswirtschaften zu Boden zu reißen, wie es 2001 Argentinien widerfuhr. Immer wieder, wenn sich die Finanzwirtschaft in dieser Weise von der realen Wirtschaft entfernt, hat dies schwerwiegende gesellschaftliche Konsequenzen.

Die Liberalisierung wurde begleitet von einem Diskurs, bei dem ein maximaler finanzieller Ertrag in einem Minimum an Zeit angepriesen wurde. Schließlich verlor man jeglichen Bezug zu verantwortungsvollen und transparenten Kapitalanlagen : Man gab sein Geld in eine Black Box und erntete ein paar Wochen später die Früchte, ohne zu wissen, welche sozialen und ökologischen Störungen dadurch produziert worden sind. Investitionen, die mit einem Mindestmaß an Verantwortungsbewusstsein getätigt werden, haben dagegen kaum zweistellige Renditen. Würde man die externen Kosten der Anlagepolitiken vieler Fonds erfassen, würde die Rechnung ganz anders aussehen. Doch bezahlt wird sie von anderen, in den Ländern des Südens und von „Loosern“ vor der eigenen Haustür.

Gierige Abstaubermentalität

Seriöse Investoren zeichnet aber Geduld aus. Der Return on Investment kann sich nicht kurzfristig einstellen, jedenfalls nicht, wenn man es mit der realen Wirtschaft zu tun hat. Diese Erinnerung an eigentlich banale Wahrheiten findet heute leichter Gehör. Noch 2007 wurde in einer Euphorie der Megarenditen kaum auf solche Stimmen geachtet. Wer sie äußerte, outete sich als naiver, weltfremder Idealist, dessen moralinsaure Warnungen locker – aber leichtfertig – mit einem Lächeln beiseite gewischt werden konnten. Der Erfolg, ausschließlich gemessen am finanziellen Ergebnis der Operationen, gab jedem Recht, der hier mitwirkte und zum „Winner“ wurde.

Eine gierige Abstaubermentalität war legitim geworden. Diese traumhafte Situation zunächst übermäßiger, letztlich aber irrealer Gewinne mutierte für viele Analysten und manchen Otto Normalinvestor in einen sehr desillusionierend realen und bitteren Albtraum. Oder, um ein anderes Bild zu benutzen: Auf die Ausschweifungen folgte ein übler Kater und mit ihm die verspätete Einsicht in fehlerhaftes Verhalten bzw. Unterlassungen. Nach hastiger Behandlung der schlimmsten Symptome hat nun die Suche nach lindernden Mitteln begonnen. Denn: man braucht die Zecher, sie sind – wenn sie nüchtern und reguliert agieren - Teil des Systems. Investmentmanager erfüllen, gerade wenn sie an der Börse spekulieren, eine wichtige Rolle im Abgleich von Angebot und Nachfrage und der Ermittlung von Marktpreisen. Spekulation an sich ist nicht schädlich und systemwidrig.

Es zeigt sich, dass das just gescheiterte Geschäftsmodell an einem Extrempol des Spektrums von Finanzinvestitionen angesiedelt war: Hohe Renditen bei hohem Risiko, aber ohne sonstigen Mehrwert. Die Akteure und Handlungsmuster am anderen Ende des Spektrums lassen sich unter den Begriff der Solidarwirtschaft fassen: Hier sollen soziale Mehrwerte maximiert werden. Zwischen beiden Extremen positioniert sind klassische Sparmodelle, deren Rendite kaum die Inflationsverluste ausgleicht, dafür aber sicher sind. Wiederum zwischen Solidarwirtschaft und Sparbuch angesiedelt sind Angebote der Sozialfinanz, bei denen der „ethische Umgang mit Investitionen“ im Vordergrund steht: Die finanziellen Renditen sind überschaubar, dafür wird ein sozialer und ökologischer Mehrwert geboten.

Transparenz, Verantwortung und Solidarität

Mit dem Abzug des Gewitters scheint nun der Sozialfinanz die Sonne. Sie hat schon die früheren Krisen überstanden und bleibt auch von dieser unberührt, ja wird sogar gestärkt aus ihr hervorgehen. Für ein Teilsegment des Marktes bietet sie neue Antworten. Sprecher der der französischen Credit-cooperatif, der niederländischen Triodos Bank, der deutschen GLS-Bank oder der UmweltBank erinnern dieser Tage an ihr Gründungscredo eines „Sozial verantwortlichen Investments“ (englisch: "Social Responsible Investment", SRI). Unter dem Anspruch eines „ethischen Investments“ verstehen sie die Einbeziehung nicht genuin finanzieller Kriterien - umweltbezogene, soziale oder auch religiöse Aspekte - in Anlageentscheidungen. Neben dem unentbehrlichen Finanzertrag werden ideelle Werte wie Naturschutz, Einhaltung der Menschenrechte oder Schutz benachteiligter Gruppen integriert. SRI wurde zunächst eher negativ definiert als Exklusion unethischer oder nicht nachhaltig produzierender Unternehmen und Branchen (mit ausbeuterischen Tendenzen, Kinderarbeit oder Waffenhandel). Später wurde SRI auch positiv erklärt als Bevorzugung (Inklusion) von Produkten, die ethischen Grundsätzen entsprechen.

Die Vertrauenskrise veranlasste viele Sparer, sich „konservativen“ Anlageformen, aber auch transparenteren und realwirtschaftlich geerdeten Investitionen zuzuwenden. So feiert das altmodische Sparbuch eine Renaissance. Die Akteure der Sozialfinanz, zu der auch Kooperativen wie die belgische Credal und die französische La Nef (Société coopérative de finances solidaires) oder mit Banken kooperierende Initiativen wie etika zählen, haben in der Umsetzung des SRI-Anspruchs schon immer innovative Sparformen als Instrument verantwortlichen Handelns eingesetzt. Sie bieten sie Kunden an, die wissen wollen, was mit ihrem Geld geschieht.

Mit gutem Gewissen finanziert werden zum Beispiel der ökologische Landbau oder der Bau von Anlagen regenerativer Energien. Die Kapitalgeber sind geduldig. Intrinsisch motiviert zielen sie uneigennützig auf eine Wertschöpfung in langer Sicht ab. Ihr Geld soll in Übereinstimmung mit ihren Idealen arbeiten. Das überzeugt nun immer mehr: Bei der GLS-Bank kam es jüngst zu einer Verdopplung der Kundenanfragen. Wöchentlich steigt hier das Anlagevolumen um zehn bis 20 Millionen Euro. Bei der Banque Triodos hat sich die Zahl der Anfragen zur Eröffnung eines Kontos gar verzehnfacht Allein im Monat Oktober hat auch etika so viele neue Sparer gewonnen, wie im gesamten letzten Jahr.

In Weiler-la-Tour entstand 2008 ein Naturpferdehof, der eine Reittherapie für Menschen mit Behinderungen anbietet. Die Inhaberin erhielt dafür einen alternativen Kredit von etika und BCEE über 550.000 Euro (Laufzeit von 20 Jahren).

Wer ein „alternatives“ oder „grünes“ Sparkonto einrichtet, erhält die Garantie, dass bei der Verwendung des Geldes der Dreiklang aus Verantwortung; Transparenz und Solidarität respektiert wird. Er kann sicher sein, dass nur in innovative Projekte der Ökologie, des Sozialen oder der nachhaltigen Entwicklungshilfe investiert wird. Im Falle des alternativen Sparkontos von etika und der Partnerbank BCEE entscheidet das Kreditkomitee von etika Kreditvergaben auf der Grundlage des zu erwartenden sozialen oder ökologischen Mehrwerts. Parallel prüft die Spuerkees den Kredit rein ökonomisch. Nur wenn beide Gremien unabhängig voneinander das Projekt gut heißen, wird der Kredit vergeben. Ähnlich trennen SRI-Banken ethische und finanzielle Aspekte. Verantwortung und Gewinnerwartung werden so ein gutes Paar.

Eng mit dem Kriterium der Verantwortung verknüpft ist das der Transparenz: Der Inhaber eines alternativen Sparkontos ist über Kundenzeitschriften, Jahresberichte und Internetseiten über die Identität aller Kreditnehmer und ihrer Projekte informiert. Oft wird schließlich auch das Kriterium der Solidarität ganz unmittelbar umgesetzt. Die Spareinlagen auf dem etika-Sparkonto sind solidarische Verlustgeschäfte. Sie erlauben die zinsgünstige Finanzierung von Projekten, indem der Sparer auf einen Teil seiner Zinsen verzichtet. Diese Reduktion von zurzeit 0,60 Prozent (2,50 % statt 3,10 %) wird voll an den Kreditnehmer weitergegeben. So unterstützen Sparer mit ihrem Verzicht Projekte, die ihren Wertvorstellungen entsprechen. Sei es die Professionalisierung von Bioläden, die Sanierung stillgelegter Wasserkraftanlagen, Naturschutzprojekte oder Mikrokredite in Afrika.
Moralisch glaubwürdig waren diese Konzepte der Schaffung nicht-finanzieller Mehrwerte schon immer. Anders als in den 1980er-Jahren ist heute auch die finanzielle Vertrauenswürdigkeit der Sozialfinanz gegeben. Ihre Initiativen, Kooperativen und Banken sind solide. Das frühere Misstrauen, Idealisten könnten keine Geschäftsleute sein, ist gewichen. Verantwortungsvolles Handeln und Sicherheit werden zwar mit niedrigeren Zinsen entgolten, doch messen viele Anleger nun mit neuen Maß.

Sie erinnern sich jetzt an die Regel, ihr Geld breit gestreut arbeiten zu lassen. Natürlich auch in Investmentfonds, aber nicht mehr blauäugig vor allem in solche, bei denen um das goldene Kalb einer maximalen „Performance“ getanzt wird. In Luxemburg werden über 200 Fonds gehandelt, für die SRI kein Fremdwort ist. Neben den genannten positiven bzw. negativen SRI-Auswahlkriterien gibt es die Kriterien „best in class“ und thematische Fonds, wie die populären Mikrokredite. Auch hier kann man gute Renditen erzielen, ohne dieses unangenehme „Black-Box“-Gefühl. Die französische Zeitung „Alternatives Economiques“, das belgische Netzwerk der alternativen Finanzierung und etika haben diese „ethischen Fonds“ aus dem Gesamtangebot herausgefiltert und in Handbüchern beschrieben.

*Langfassung des am 14.11.2008 im Dossier "Placements" des Lëtzebuerger Land erschienenen Textes