Interview mit Roland Majerus, Mitglied des Verwaltungsrates von etika

, von Ekkehart Schmidt

Roland Majerus (Jg. 1956) ist Mitbegründer der NATURATA Biomarktketteund seit 2004 als Vertreter des Veräin fir biologesch-dynamesch Landwirtschaft Lëtzebuerg Mitglied des Verwaltungsrates von etika. In seinem Büro im OIKOPOLIS in Münsbach hängt ein Zeitungsartikel aus dem „Luxemburger Wort“, mit einem Plan, der die Standorte der wichtigsten Supermarktketten in Luxemburg zeigt.

Wie ist das? Schaut ihr manchmal auf die Karte und überlegt, wie ihr den Grossen Konkurrenz machen könnt? Wie bei einem strategischen Schlachtplan?

Nein. Wir können nicht ernsthaft versuchen, den großen nationalen und internationalen Supermarktketten Konkurrenz zu machen. Unsere Aufgabe ist eine andere. Wir wollen unsere Arbeit der Förderung der biologischen Landwirtschaft weitertreiben, indem wir unsere Kundschaft durch noch besseren Service erweitern, Partnerschaften mit Lieferanten aufbauen und unseren Teil als NATURATA-Geschäfte dazu beitragen, damit die OIKOPOLIS-Wertschöpfungskette noch verbessert wird (bestehend hauptsächlich aus BIOG, BIOGROS und NATURATA).

Welche Entwicklung werden die Bio-Landwirtschaft und der Bio-Handel in Luxemburg in den nächsten Jahren nehmen?

Der Handel wird sich weiterentwickeln, demgegenüber hinkt die regionale Bio-Produktion hinterher, da nicht genug Bauern auf Bio umstellen. Im Vergleich zur gestiegenen Nachfrage nach Bioprodukten, müssten viel mehr konventionelle Betriebe umstellen. Das Nichtumstellen liegt meiner Meinung nach auch daran, dass die Subventionen - wenn man denn alle Möglichkeiten ausreizt - in der konventionellen Landwirtschaft immer noch viel zu hoch sind im Vergleich zur Bio-Landwirtschaft.

Bist Du eigentlich ein Kind vom Lande oder aus der Stadt?

Vom Lande und aus der Stadt. Aber ich bin von Kind an naturverbunden. Wir sind drei Geschwister und hatten zu hause einen großen Garten. Selbstversorgung war damals sehr wichtig. Wir hatten Obstbäume: Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen, Kirschen und Erdbeeren. Dazu Gemüse und Kleintiere wie Kaninchen. Meine Aufgabe war es, dem Vater nach der Arbeit hie und da zu helfen, was ich nicht immer gern getan habe.

Und was für eine Ausbildung hast Du dann gemacht?

Ich habe Elektrotechnik gelernt und neun Jahre in dem Beruf gearbeitet, bis ich davon genug hatte und etwas anderes machen wollte. Durch eine eher zufällige Begegnung - wenn es die denn gibt - bin ich zu Bio gekommen. Das hat mich begeistert.

Wann war das?

Das muss so 1987/ 88 gewesen sein. Meine Frau und ich haben zwei Kinder und ich war ein Jahr lang Hausmann. Ich wollte wissen, wie das geht: biologisch und hauptsächlich bio-dynamisch anbauen. Es gab damals einen Sportlehrer aus Saarbrücken, der in Luxemburg einen Vortrag über den Bali-Impander gehalten hat: Das ist so ein Trainingsgerät. In seinen Vorträgen sagte er: “Getreide ist gut für die Gesundheit, aber man sollte gucken, dass es möglichst bio ist“. Ich fragte ihn, wo man das bekommt und er sagte: „auf dem DEMETER-Hof von Jos Schanck in Hupperdange“. Also bin ich da mal hingefahren. Die Art und Weise, wie da gearbeitet wird, hat mich von Anfang an fasziniert. Das Interessante bei der biodynamischen Landwirtschaft liegt meiner Meinung nach darin, dass man lernt, mit der Natur anders umzugehen und Sachen die man nicht sieht werden auf einmal wichtig. Das wichtigste ist nämlich das, was man nicht auf den ersten Blick sieht. Das will aber nicht heißen, dass nicht auch eine handfeste landwirtschaftliche Ausbildung dazugehört, das ist absolute Voraussetzung. Du bekommst eine Ahnung, dass es etwas gibt, was man nicht sieht und das trotzdem eine Wirkung hat. Manchmal sogar die grösste Wirkung.

Was zum Beispiel?

Zum Beispiel der Einfluss des Kosmos. Oder die Nutzung der bio-dynamischen Präparate: Man benutzt Hornkieselpulver, eine Messerspitze auf 400 Liter Wasser, um die Kräfte des Lichtes der Sonne in die jeweilige Kultur zu übertragen und zu intensivieren.
Was sind die Hauptpunkte der bio-dynamischen Landwirtschaft ?
Der Leitgedanke der bio-dynamischen Landwirtschaft ist das Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Dabei wird der Betrieb mit dem Menschen, dem Boden, den Pflanzen und Tieren als ein vielseitiges Ganzes, d.h. als eine Art Organismus verstanden. Zu den Grundprinzipien gehört, dass weder chemischer Dünger noch Herbizide oder Pestizide eingesetzt werden. Die Bodenfruchtbarkeit und Nährstoffkreisläufe sollen erhalten bleiben, ohne Monokultur und Massentierhaltung. Dabei darf man aber nie die wirtschaftliche Seite aus den Augen verlieren.

Wie ging das denn konkret weiter?

Zuerst wurde eine Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamische Landwirtschaft ins Leben gerufen, die dann 1988 in den Veräin fir biologesch-dynamesch Landwirtschaft Lëtzebuerg asbl überführt.wurde. Dann wurde im gleichen Jahr die BIOG, die Bio-Baueren-Genossenschaft Lëtzebuerg gegründet, um den ersten Biobauern auch die Möglichkeit zu schaffen, ihre Produkte zu verkaufen. 1989 haben wir dann auch NATURATA gegründet, aus dem dann der erste Bio-Supermarkt in Luxemburg entstanden ist. Der Bio-Großhandel BIOGROS wurde 1992 von der Genossenschaft BIOG gegründet, um zum einen die Distribution der BIOG-Produkte zu übernehmen und zum anderen, um nicht in Luxemburg hergestellte Bio-Produkte zu importieren.

Das alles einfach so?

Nein, natürlich nicht. Ich habe Abendkurse belegt und eine Genehmigung bekommen, ein Geschäft zu eröffnen. Auf Initiative der Bio-Bauern, Waldorfeltern und Konsumenten haben wir erst die NATURATA ins Leben gerufen, wie eben erwähnt, dann das Geschäft aufgebaut. Das war damals im Rollingergrund im September 1989. Der Laden war konzipiert als Inselbetrieb, also die Waren wurden so angeordnet, dass der Laden mit einer einzigen Person zu führen war. Ich war am Anfang immer abends da, wenn meine Frau von der Arbeit nach Hause kam, ich war ja Hausmann. Anfangs haben wir eine Zeit lang nichts verdient, denn es gab ja noch nichts zu verteilen… Das war für mich nicht so wichtig, da ich an der Seite meiner Frau überlebt habe. Wichtiger war für mich: Wenn Du etwas machst und hast dieses Feuer nicht, dann lass es lieber.

Bist du bei Deiner Frau „noch in der Schuld“? Sich damals einer so verrückten Idee wie biodynamischer Landwirtschaft zu widmen und Bio-Produkte zu verkaufen?

Nein, sie hat das mit getragen und hat auch zeitweilig selbst in der Naturkosmetik mitgearbeitet. Stand ich vorher hinter der Theke, sitze ich heute viel im Büro und helfe von dort mit, dass das ganze läuft. Die Arbeit in den Filialen haben andere übernommen, denn es sind ja auch die, welche das Ganze in die Zukunft tragen werden. Wir brauchen den Geist der jungen Generation, denn nur die können das, was die Pioniere angefangen haben, weiterführen.

War das damals nicht ein großes Risiko?

Natürlich. Aber das war zweitrangig. Ich war völlig überzeugt: Wir müssen das in die Welt setzen: eine Verkaufsmöglichkeit für luxemburgische Biobauern. Es war eine schöne Aufbruchzeit. Wir sagten uns: „Es wird schon gut gehen.“ Das hieß aber auch 14 – 16 Stunden Arbeit am Tag. Die Weiterentwicklung und der Aufbau der anderen Geschäfte gingen dann relativ schnell. Wenn du einmal von einer Idee überzeugt bist, willst du sie auch anderen Leuten vermitteln, vorausgesetzt, diese sind offen dafür. So haben wir Partner gefunden. NATURATA ist ganz organisch gewachsen. Das ist das schöne daran. In der Weiterentwicklung gab es jedoch 2001 natürlich einen großen Sprung hierher nach Munsbach mit OIKOPOLIS I. Und dann 2006 auch wieder mit dem Bau von OIKOPOLIS II.

Ist das Feuer noch da?

Ja, aber es ist jetzt anders natürlich. Heute ist ja auch eine ganz andere Ära und auch das Umfeld ist anders. Damals war noch nicht die Rede vom Klimawandel und die Bedingungen waren anders. Die Verantwortung ist heute größer geworden. Um das Ganze erfolgreich in die Zukunft zu tragen, sind gute Ideen gefragt und ich hoffe, dass uns diese im dem Direktionskollegium von OIKOPOLIS nicht ausgehen.

Und es gab noch kein etika…

Genau. Der Verein Veräin fir bio-dynamiesch landwirtschaft Lëtzebuerg asbl, Demeter-Bond hat etika – also „Alterfinanz“ damals - mit begründet, mit Änder Schanck im Verwaltungsrat. Der Schanck-Haff war dann auch eines der ersten Projekte, die 1998 einen Alternativkredit erhalten haben. Es ging darum, eine Käserei zu bauen. Später dann eine Gemüsesortier- und Waschanlage und den Ausbau der Scheune zu tätigen. Die BIOG-Hofkäserei hat Produktionsfläche auf dem Hof angemietet. Dort wird der berühmte Demeter-Käse «Hëpperdanger» hergestellt. Änder Schanck hat mir dann 2004 im Verwaltungsrat den Vortritt gegeben, da er andere Aufgaben übernommen hatte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Artikel vom 21. Juni 2011